#einmalberatung
So kurz wie nötig Beratung gestalten.

Impulse aus dem Single-Session-Ansatz (SSA) für die syntegrative Praxis – Gedankensplitter von Tom Küchler
Einleitung: Beratung mit Haltung – nicht mit Dauer
Im Rahmen meiner systemisch-integrativen Beratungsarbeit stelle ich mir oft die Frage:
Wie kann ein einziges Gespräch bereits hilfreich sein – ohne die Illusion zu nähren, dass „schnelle Lösungen“ alles „lösen“?
In meinem Syntegrativen Ansatz – syntegrativ.de – verbinden sich systemische/synergetische, lösungsfokussierte und psychologische Denkweisen. Der Single-Session-Ansatz (SSA) bietet hierfür eine inspirierende Quelle: Nicht, weil er Gespräche verkürzt – sondern weil er zeigt, was in einem Moment voller Präsenz und Resonanz möglich ist.
Ich benutze den Begriff Single-Session-Ansatz (SSA), welche ursprünglich auf Single Session Therapie (SST) zurückgeht. Der Single-Session-Ansatz bedeutet: Beratung auf Augenhöhe, mit Haltung, mit Fokus – und mit der Bereitschaft, sich überflüssig zu machen. SSA ist radikales Empowerment ohne „fürsorglicher Belagerung“ von Menschen im Sinne von „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Ein Gespräch kann reichen – wirklich?
SSA basiert auf der Grundannahme: Ein Gespräch findet statt und es wird geschaut, was „daraus kommen“ kann – es ist nicht nur ein Gespräch, sondern ein ganzes Gespräch und dann entscheidet der „kundige Mensch“ (in Anlehnung an Jürgen Hargens), ob es ein weiteres gibt.
In einer Welt voller Termine, Komplexität und Zeitdruck ist das nicht nur pragmatisch, sondern auch respektvoll: Menschen wollen nicht immer Prozesse – manchmal genügt ein Moment der Klarheit, Würdigung oder Neuorientierung.
Herkunft: Woher kommt der Single-Session-Ansatz?
Der SSA (genauer die Single Session Therapie/ SST) entstand in den 1980er-Jahren aus praktischer Erfahrung. Viele Klientinnen und Klienten nahmen nur eine Sitzung in Anspruch – und fühlten sich dennoch nachhaltig unterstützt. Wichtige Wegbereitende des SSA sind m.E. Robert Rosenbaum,Moshe Talmon, Michael Hoyt, Arnold Slive, Monte Bobele, Jeff Young, Pam Rycroft und Flavio Canistra.

Eine gelungene Veröffentlichung zum Thema (auch wenn ich den Titel wenig „treffend“ finde – ich mache ja nicht SSA, weil die Zeit knapp ist, sondern weil ich die Menschen in ihren Stärken sehe…) findet sich in diesem Buch.

Meine Reise zum Thema „Einmalberatung“ begann kurz vor der Jahrtausendwende während meines Studiums an der ehs Dresden in einem Seminar mit Michael Märtens, welcher zu dieser Zeit ein tolles Buch [Michael Märtens: Einmalberatung: Chancen, therapeutische Grundlagen und Grenzen. Mainz: Mathias-Grünewald- Verlag (1999)] veröffentlicht hatte.
Neben diesen Vertretern der Single-Session-Therapie gehören für mich (und meine Arbeit) ebenso die Vertreter innen und Vertreter des Lösungsorientierten Ansatzes (welche sich selbst vermutlich nicht zwingend der „SST-/SSA-Bewegung“ zuordnen würden) zu wichtigen Impulsgebern hinsichtlich der „Kurz-Beratung“. Hier wären z.B. Steve de Shazer & Insoo Kim Berg, Ben Furman, Peter Szabó, Daniel Meier und Jürgen Hargens zu benennen. Folgende drei Bücher möchte ich hier exemplarisch herausstellen:



Haltung – der eigentliche Faktor
„Die meisten Menschen suchen keine Therapie – sie suchen einen Moment der Klarheit.“
(Moshe Talmon)
Wenn ich im Format der Einmalberatung arbeite, geht es nicht darum, Prozesse zu verkürzen – sondern darum, Resonanzräume zu eröffnen. Denn der Single-Session-Ansatz (SSA) ist kein Methodenmodell. Er ist eine Haltung. Eine radikale Form des Respekts. Eine Einladung zur Selbstorganisation. Ein Vertrauen – in den Moment, in die Wirksamkeit, in den Menschen gegenüber.
Ich arbeite nicht mit Technik, sondern mit Beziehung. Nicht mit der Idee, jemanden zu verändern, sondern mit der Haltung, dass Veränderung längst angelegt ist. SSA bedeutet, hilfreich zu sein – ohne sich unentbehrlich zu machen.
Was diese Haltung ausmacht?
Es ist eine innere Haltung – geformt aus Präsenz, Vertrauen und Bescheidenheit.
👉 Präsenz: voll da sein, ohne Agenda
👉 Nichtwissen: Raum halten statt erklären
👉 Selbstorganisation: Menschen sind klug, kreativ und tragfähig
👉 Bescheidenheit: Ich will hilfreich sein – nicht gebraucht werden
👉 Fokus: Zeitknappheit ist kein Mangel, sondern ein Strukturanker
👉 Ressourcenorientierung: Lösungen liegen im Gegenüber, nicht bei mir
👉 Pragmatismus: Der Sinn einer Idee liegt im Nutzen
👉 Theorieoffenheit: Nicht jedes Problem ist ein Nagel, nur weil man einen Hammer hat
Diese Haltung verlangt eine radikale Gegenwärtigkeit, die Bereitschaft, eigene Konzepte loszulassen – und stattdessen wirklich zuzuhören. Sie lebt davon, dass nicht ich etwas „tue“, sondern dass ich den Raum halte, in dem etwas Eigenes entstehen kann.
SSA bedeutet, nicht mehr zu versprechen, als der Moment hergibt – und genau deshalb ist er oft so kraftvoll.
Mein Hintergrund dabei:
Ich arbeite mit einem syntegrativen Beratungsverständnis (systemisch/synergetisch-integrativ). Mein Zugang ist geprägt von einem humanistischen Menschenbild, dem kybernetisch-systemischen Denken (insbesondere inspiriert von Gregory Bateson), und den zentralen Wirkfaktoren nach Hubble, Duncan, Miller und Grawe – mit Blick auf Beziehungsqualität, Ressourcenaktivierung und subjektive Passung.
Zusätzlich nutze ich mein eigenes Modell – die H.E.R.Z.-FAKTOREN – als praxisnahe Reflexionshilfe:
- H – Hoffnung & Erwartungen: Der Glaube an den Prozess ist der eigentliche Motor.
- E – Emotionale Beziehung: Vertrauen, Wertschätzung und echte Resonanz sind die Basis.
- R – Ressourcenaktivierung: Menschen tragen ihre Lösung in sich – wir bringen sie zum Leuchten.
- Z – Zielorientierung & Problemlösung: Klarheit über Richtung und nächste Schritte ermöglicht Entwicklung.
Vorgehensoptionen
„Single-Session-Arbeit ist keine Technik – sie ist ein Geschenk: Aufmerksamkeit, ohne Bedingungen. Vertrauen, ohne Vertrag. Veränderung, ohne Plan.“
(Michael Hoyt)
SSA ist methodenoffen, allerdings nicht beliebig. Ob systemisch, lösungsfokussiert, ACT-basiert, narrativ, humorvoll/provokativ oder emotions-& körperorientiert: Erlaubt ist, was stimmig ist. Entscheidend ist die Resonanz und das gestalten von Unterschieden, die einen Unterschied machen. SSA lebt nicht von Technik, sondern von der Kunst, Technik loszulassen. Wenn etwas passt – wunderbar. Wenn nicht – umso besser, wenn man es merkt. Entscheidende Ansatzpunkte (mehr dazu in meinen Büchern, Seminaren und in der folgenden LinkedIn-Serie unter #einmalberatung) sind für MICH (denk dran: keine Dogmen!) dabei:
- Generische Prinzipien, W.A.N.D.E.L.-Prämissen und Lösungsorientierte Leitsätze als Orientierungsgeber
- Vorbereitungsaufgaben
- Rahmensetzen und knackiges Cool-Joining
- Einstiegsfrage(n)
- Sinnbezogene und würdevolle Identitäts-& Mottoziele
- Resonierend Zuhören
- Bewusster Umgang mit Backchannel-Feedback
- Cheerleading & Success Recording
- MiniMax-Interventionen
- Impact-Techniken
- Problemaktualisierungen
- Solution Talk
- Humor & Provokationen
- Suggestionen
- Reframings & Metaphern
- Ambivalenz-Reflexion
- Impulse, Ideen und vielleicht sogar Tipps 😉
- Psycho-Talk (Psycho-Edukation ohne Belehrend zu sein)
- Analoges Arbeiten im Raum (z.B. mit Bodenankern oder www.solution-loop.com)
- Körperarbeit
- Abschlussfrage(n)
- Experimente & Hausaufgaben
- Mikro-Evaluation
In den folgenden Wochen werde ich diese Elemente kurz skizzieren…
Tom Küchler, 2026